1. SONNTAG in der Fastenzeit
Evangelium: Mt 4,1-11
Nachdem Jesus bei seiner Taufe klar geworden ist, in welcher außer-gewöhnlichen Beziehung er zu Gott steht (das wird mit dem Titel „Sohn Gottes“ zum Ausdruck gebracht), zieht er sich in die Einsamkeit zurück, um sich darüber im Klaren zu werden, was das für ihn bedeutet. Jesus kämpft mit sich selbst. Das stellt der Evangelist Matthäus sehr bildhaft durch diese Szene mit dem „Versucher“ dar. „Wenn du Gottes Sohn bist“, dann kannst du...! Wenn du Gott so nah bist, dann muss es dir doch möglich sein...! Bis zu dreimal wird diese Formel verwendet. Übrigens auch am Ende seines Lebens, wo Jesus am Kreuz hängt, verhöhnt wird, rufen die Autoritäten ihm zu: „Wenn du Gottes Sohn bist... dann steig vom Kreuz herunter!“
Jesus wird versucht und herausgefordert, seine besondere Beziehung, seinen Glauben an Gott, seine enge Bindung an Gott unter Beweis zu stellen. Er soll seine Nähe zu Gott ausnützen, nur zu seinem eigenen Vorteil. Er soll seine tiefe Liebesbeziehung zu Gott zerstören, indem er Gott manipuliert, nur für seine eigenen Interessen einsetzt. Wie oft geschieht es nicht, dass Menschen Gott „nützlich“ machen wollen für die Erfüllung ihrer menschlichen Interessen und Bedürfnisse. Im Namen Gottes ist schon viel Unheil geschehen und geschieht noch.
„Wenn du Gott so nahe bist, dann verwandele die Steine in Brot!“ Wenn Gott so mächtig ist, dann muss er sich doch einsetzen und Not abwenden, um sich so als Gott zu erweisen! Ist das nicht die Versuchung, Gott unter Druck zu setzen, überall dort, wo es darum geht, sich materiell abzusichern, körperliche und materielle Be-dürfnisse zu befriedigen, Gott in den Dienst des Konsumverhaltens zu stellen? Wir leben ja in einer Konsumgesellschaft, die alles - sogar Steine - zu Brot machen will, zu Konsumgütern, die scheinbar unsere tiefsten Bedürfnisse befriedigen können. Scheinbar, denn unser Lebenshunger wird dadurch trotzdem nicht gestillt. Deswegen die Antwort von Jesus: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot; er lebt von jedem Wort, das Gott spricht.“
Oder soll Jesus die Menschen für sich gewinnen, indem er sich auf Gott beruft, der ihn mit Sicherheit beschützen wird, selbst wenn er wie „Superman“ auftritt und sich vom Tempel in die Tiefe stürzt? Sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, wie es heutzutage viele tun, in einem ich-bezogenen Selbstdarstellungswahn, in einer Gier nach der Show? Soll Jesus Gott bei seinem Wort nehmen, wo es doch in der Bibel heißt: „Deinetwegen wird Gott seine Engel schicken, und sie werden dich auf Händen tragen, damit du dich an keinem Stein stößt.“ Soll er also Gott auf die Probe stellen, um einmal zu sehen, was er dann macht? Das widerstrebt doch der Liebesbeziehung die Jesus zu Gott hat.
Oder soll Jesus sich radikal von Gott abkehren, andere Mächte und Kräfte anbeten, ein Bedürfnis nach politischer, militärischer, wirtschaftlicher Weltmacht befriedigen? Damit er „alle Reiche der Welt in ihrer Größe und Pracht“ bekommt?“ Später, bei seinem Prozess vor Pilatus wird Jesus nochmals bestätigen: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt, sonst hätten meine Leute dafür gekämpft, dass ich den Juden nicht in die Hände falle. Nein, mein Königtum ist von ganz anderer Art!“
Es geht hier in dieser Szene um die Gefährdung des Menschen in seiner Tiefe, es geht um den Menschen in seiner ganzen Existenz: Wir sind in der Gefahr, von Gott abzufallen, ihn höchstens nur für eigene Zwecke zu benützen.
Sind diese Grundversuchungen, mit denen Jesus zu kämpfen hat nicht auch unsere? Wodurch bringen wir unsere Beziehung zu Gott, unseren Glauben, in Gefahr? Wo lassen wir uns zu etwas verführen, das Gott in unserem Leben hintenanstellt? Wo erleben wir unsere Abhängigkeiten, unsere Unfreiheiten, die uns ein Leben mit Gott er-schweren oder unmöglich machen? Was sind unsere Versuchungen?
Wir sind in der Fastenzeit, unserer Wüstenzeit, wo wir uns damit auseinandersetzen sollen und uns darüber Klarheit verschaffen sollen, wie wir wirklich zu Gott stehen.